DIE GESCHICHTE DER DEUTSCHEN SCHULE - RUSE

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der Zeit des türkischen Verwalters Midhad Pascha, war Rousse ein Handels-, Wirtschafts- und kulturelles Zentrum an der unteren Donau. Der Hafen und die Eisenbahnlinie Ruse – Varna, spielten eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Stadt. Zu dieser Zeit begann das Ansiedeln von großen Gruppen deutschsprechender Bevölkerung, die sich hauptsätzlich


Abb.1 Das Gebäude der Deutschen Schule 1901 – 1918

mit Handel beschäftigten. Die deutsche Kolonie ergriff Maßnahmen, damit die in Bulgarien geborenen deutschen Kinder an ihrer Schule lernen.
Im September 1883 öffnete Anna Winter, die Schwester des Hauptingenieurs von Ruse, eine deutsche Schule in der Stadt. Vier deutsche Lehrer unterrichteten 50 deutsche Kinder. Die Schule wurde sehr schnell auch unter der bulgarischen Bevölkerung sehr berühmt besonders durch die bei der Schule eröffneten Kurse für Buchhaltung und Handelskorrespondenz. Aus diesem Grund meldeten sich in der Schule auch Schüler bulgarischer Staatsangehörigkeit an. Die Schule wurde vom deutschen Schulbund “Rustschuk”, der deutschen Gesellschaft “Konkordija” und durch Schulgebühren unterhalten .
1895 leitete der evangelische Pfarrer Theodor Wangemann die deutsche Kirchengemeinde in Russe und übernahm die Verwaltung der deutschen Schule. Auf seinBestehen wurden 1896 in der Schulpension armenische Weisenkinder, die den Massakern im Osmanischen Reich entkommen waren, aufgenommen. Auf Initiative von Theodor Wangemann und durch Unterstützung von Deutschland wurde 1901 ein modernes Schulgebäude im Zentrum der Stadt, Borissova – Straße, errichtet. Dieses Schulgebäude wurde ein Symbol für die Stadt Russe.
1906 wurde das Handelsgymnasium eröffnet, das im Februar 1909 von dem Ministerium der Volksaufklärung als Handelsberufsschule anerkannt wurde.
1906 verließ Pfarrer Theodor Wangemann die Leitung der Schule und die wurde von der Verwaltung der Gemeinde übernommen. Infolge großer finanzieller Schwierigkeiten wurde die Schule 1910 geschlossen. Dank des neueingestellten Direktors, Doktor Karl Wirgenz, und durch die Unterstützung von Deutschland erreichte die Schule 1911 ihren Höhepunkt.


Abb.2 Doktor KARL WIRGENZ,der Direktor der Deutschen Schule 1911–1941

Aber der Brand des wütenden Ersten Weltkrieges zerstörte mit einem Schlag alles, was schon erreicht wurde. Laut des Solun-Waffenstillstandes im September 1918 wurden die Unterrichtsstunden in der Deutschen Schule unterbrochen und das Gebäude von den französischen Heere konfisziert.
Die deutsche Regierung aber verzichtete auf die Schule nicht. Trotz der großen Nachkriegskrise in Deutschland unternahm sie vieles, die Schule wieder ins Leben zu rufen. Eine große Rolle dabei hatte der Direktor der Schule Dr. Karl Wirgenz. Als Ziel seines Lebens stellte er vor sich die neue Errichtung der Schule. Anhand der von ihm ausgesuchten Dokumente konnte Deutschland 1925 den Sieger Frankreich im Internationalen Gericht in Haga wegen der von ihm rechtswidrigen Anmaßung des Schulgebäudes verurteilen. Mit der als Entschädigung ausgezahlten Geldsumme kaufte der Deutsche Staat ein Grundstück und innerhalb von nur drei Monaten wurde ein neues Schulgebäude gebaut, das am 15. September 1926 festlich eröffnet wurde. An der Schule lernten 270 Schüler. Das Gebäude wurde mehrmals aufgebaut und 1928 wurde das Handelsgymnasium eröffnet, das ein Anziehungspunkt für die Schüler und ihre Eltern war. 1932 machten die ersten 12 Abiturienten ihre Abiturprüfungen und schloßen ihre Ausbildung an der Deutschen Schule ab, die die einzige unter den deutschen Schulen dieser Art im Ausland war. Dank der hochqualifizierten Lehrer wurde die Deutsche Schule in Russe eine der besten deutschen Schulen außerhalb Deutschlands, wo über 80% der Schüler bulgarischer Nationalität waren. Die Schule bestand aus einem Kindergarten, einer Volksschule und einem Handelsgymnasium.
Die Schule verfügte über eine moderne Ausstattung, über Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien, die aus Deutschland besorgt wurden. Sie wurde von der Aktiengesellschaft „Pestalozzi“, der deutschen Regierung untergeordnet, und durch die Schulgebühren finanziell unterstützt, aber hauptsächlich das Finanzministerium Deutschlands wurde für die Unterstützung der Schule zuständig.
Die Schüler bekamen sehr gute Kenntnisse in Deutsch, Englisch und Französisch. Sie erlernten alle allgemeinbildenden Fächer und auch 19 berufsbezogene Fächer, wie z. B. Warenkunde, Buchhaltung, Banken - und Rechtswesen, bulgarische und deutsche Handelskorrespondenz, Stenografie, u.a.
Die Schüler nahmen an verschiedenen außerschulischen Veranstaltungen teil. Das waren eine Tanzgruppe für Volkstänze, ein Chor für bulgarische und deutsche Volkslieder, ein Puppentheater, ein Jacht-Club, eine Schüler-Druckerei, eine Schulungs-Firma, die gemäß der örtlichen Gesetzgebung funktionierte.
Der Schularzt war Dr. Alexander Draganov, der Medizin in München absolviert hatte. Er war einer der ersten Kinderärzte in Bulgarien.
Seit 1930 gaben die Schüler monatlich die Zeitschrift „Aufwärts“ heraus. Jährlich organisierten sie Schüler Wohltätigkeits-Aufführungen vor der Öffentlichkeit der Stadt.
In ihrer Geschichte wurde die Deutsche Schule von einer Schule für die deutsche Kolonie in Russe zu einer führende Schule für die bulgarischen Kinder. Die Devise der Schule war: Immer mehr besser!
1944, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde die Schule von der bulgarischen Regierung geschlossen. Am 30. August 1944 verließen die deutschen Lehrer die Stadt. Die Behörden verbrannten die Dokumentation und die Ausstattung der Schule.
1991, drei Jahre nach der Wende in Bulgarien, beschloss der Stadtrat die Neugründung der Schule. Es wurde ein Initiativkomitee gegründet. Daran beteiligten sich: Dimitar Wolf – Deutschlehrer, Julia Angelova – Leiterin der Abteilung „Ausbildung“ bei der Gemeinde Russe, Plamen Ivanov - Stellvertretender Vorsitzender der Stammkomission für Kultur und geistige Wiedergeburt beim Stadtrat, Lehrer und zur Zeit – Leiter der Schule und Mitglied der Stammkomission für Ausbildung zum Stadtrat u.a. Die Idee wurde von der Gesellschaft für deutsch-bulgarische Freundschaft in Russe, von der Gemeinde Russe, von vielen deutschen und bulgarischen Organisationen wie das Goethe-Institut, die Botschaft der BRD in Sofia, das Ministerium für Bildung und Ausbildung u.a. unterstützt. Herr Johannes Rau – Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Herr Wolfgang Klemen – Mitglied der Regierung des Bundeslandes, leisteten eine große moralische und materielle Hilfe.
In der am 15.09.1992 gegründeten Deutschen Schule begann ein intensiver Deutschunterricht für die Schüler in den ersten und zweiten Klassen.
Ab dem 05.04.2001 trägt die Schule den Namen des großen deutschen Dichters und Dramatikers Friedrich Schiller. Heute ist die Ode an die Freude – die Hymne des vereinten Europas nach den Versen von Schiller, auch zur Hymne der Schule geworden.
Die deutschsprachige Schule hat die größte Erfahrung im Bereich des primären Deutschunterrichts. An der Schule unterrichten 90 Lehrer, 17 von ihnen sind Deutschlehrer. An unserer Schule unterrichten auch Lehrer aus Deutschland, wie Jurgen Hoffmann, Birgit Petzold, Petra Pezke, Adelhaid und Ursula Harder, Inge Mischeva u.a.
Die Ziele, die vor unserer Schulleitung stehen und den Sinn und das Wesen der Schule darstellen, sind eine große Herausforderung für alle Lehrkräfte und werden erfolgreich von ihnen verwirklicht.
In der Schiller-Schule werden Schüler in drei Stufen aufgenommen: in der ersten, in der fünften und in der achten Klasse. Am Ende ihrer Ausbildung ist die Gesamtstundenzahl in Deutsch dieser Schüler zwischen 1690 und 1760. Heute werden in der Schule 1 200 Schüler in 50 Klassen unerrichet, womit sie eine der größten Fremdsprachenschulen in Bulgarien ist. Nach dem Schulabschluss setzen die Schüler ihre Ausbildung an Universitäten sowohl in Bulgarien, als auch in Deutschland, Österreich, in den USA.
Seit dem Jahr 2000 ist die Schule eine DSD – Schule. Nach einer Aufnahmeprüfung lernen die Schüler in Leistungsklassen. Dort werden sie auf die Prüfungen für das deutsche Sprachdiplom vorbereitet. Wegen der guten Ergebnisse bekam die Schule die Anerkennung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Sofia und der deutschen Universitäten.
In der Schule gibt es ein abwechslungsreiches kulturelles Leben. Die Schüler nehmen an verschiedenen außerschulischen Veranstaltungen teil. Es gibt einen Chor, Sängergruppen, ein Schultheater. Traditionell wird alljärlich im Mai das Schulfest organisiert.
Der Sport ist bei den Schülern sehr beliebt. Bei der Schule gibt es eine Volleyball- eine Basketball- und eine Fußballmannschaft und eine Leichtathletik-Mannschaft.
Dank der im Unterricht eingesetzten modernen Unterrichtsmethoden, der von den Schülern in Olympiaden (Chemie, Biologie, Mathematik, Physik u.a.) und in Deutscholympiaden erhaltenen Auszeichnungen, der gemeinsamen Bemühungen der Lehrer/Innen und Schüler genießt die Schule ihre Autorität.